In der Nacht von Freitag auf Samstag wurde ganz bei uns in der Nähe der 18-jährige Sammy Yatim von der Polizei mit neun Schüssen in der Straßenbahn erschossen. Die Umstände sind noch etwas unklar, er muss wohl ein Messer gehabt haben, allerdings waren zum Zeitpunkt als die Polizei die Straßenbahn stürmte und ihn sofort erschoss keine Passagiere mehr in der Bahn. Wer dazu mehr wissen will kann sich diesen Artikel im Toronto Star durchlesen.
Als wir heute auf die Straße gingen wunderten wir uns warum auf einmal mehr Hubschrauber als sonst am Himmel kreisten und kurz darauf haben wir dann die Demo/Trauerzug gesehen und sind bis zu der Stelle an der es am Samstag passierte mitgelaufen.
Ein wenig hatten wir ja schon angedeutet, dass wir – mehr oder weniger unbeabsichtigt – in den Trend-Stadtteil von Toronto gezogen sind. Hier sieht es ähnlich aus wie in Kreuzberg oder im Bremer Viertel (wobei der Vergleich zugegebenermaßen etwas hinkt), allerdings ist der Anteil an Hipstern, Hippies und Verrückten aller Art nochmal um einiges höher. Der größte Hippie wohnt übrigens gleich zwei Zimmer weiter und ist einer der freundlichsten Menschen, der uns je untergekommen ist: Juben ist 22 und sieht aus wie der persische Jimmy Hendrix. Wenn er zur Uni oder auch nur mal eben einkaufen geht, hängt er sich Mini-Verstärker und E-Gitarre um und spielt den ganzen Weg vor sich hin. Er ist übrigens garnicht mal schlecht (bei Gelegenheit machen wir mal ein Bild mit ihm).
Aber zurück zum eigentlichen Thema: als wir gestern aus der Haustür kamen (und eigentlich woanders hinwollten), waren wir leicht perplex, denn die Straße war VOLL. Direkt vor der Haustür haben die Muay Thai Boxer von gegenüber ihre Künste demonstriert, unzählige Musiker standen auf jedem freien Plätzchen und ganze Massen von Fußgängern drängten die Straße hoch. Jeden letzten Sonntag im Monat ist in Kensington Market „Pedestrian Sunday“ und den ganzen Tag Straßenfest. Also haben wir alle Pläne verworfen und den Tag mit bummeln verbracht – Ryan und Nesta sind später auch noch dazugekommen.
Hier ein paar Fotos, damit ihr euch selbst ein Bild machen könnt:
Ein Muay Thai Boxer lässt sich mit Freude von einem kleinen Mädchen verhauenUnzählige Musiker geben ihr bestes, manche besser und manche schlechter (er war ganz ok)Viele urige Gestalten (sie seht ihr später nochmal)Musik aus einer offenen Bar
So richtig glücklich sah dieser junge Mann nicht aus. Und gut angehört hat es sich leider auch nicht.Garage Sale an jeder EckeSpringseilhüpfen für Erwachsene
Noch mehr Muay Thai Boxen vor unserer Haustür (im Hintergrund)
Was genau er gemacht hat, konnten wir alle nicht nachvollziehen – aber schräg angehört hat es sichMalerei an einer HauswandDiesen komischen Vogel habe ich in dem Gewusel auch gesehen ;)Kreuzberg hat bunte Trabbis, Kensington Market ein Kräutergarten-AutoEine der besseren Bands stand auf diesem SupermarktdachZu essen gab es auch einiges, den Grillmeister kann man hier allerdings kaum noch erkennenKurzer Zwischenstopp zuhauseAm Ende kamen die „brasilianischen“ Trommlergruppen – hier die ersteUnd hier ist wieder die Hoola-Hoop-Dame vom Anfang!Die zweite Trommlergruppe kam im Anschluss die Straße hochmarschiert und war: lauter ;)
Nach zwei missglückten Anläufen haben wir es am Samstag endlich geschafft, einen Platz für die Steam Whistle Brauereitour zu ergattern!
Die Steam Whistle Brauerei ist eine typisch kanadische Mikrobrauerei mit nur einem einzigem Standort: direkt neben CN Tower und Rogers Center in einem historischen Roundhouse (Lokdepot? Ringlokschuppen?). Das Roundhouse wurde 1929 für die Canadian Pacific Railway Gesellschaft gebaut und bis 1986 genutzt, 1990 unter Denkmalschutz gestellt und dann 1995 abgerissen. Beziehungsweise Stein für Stein abgebaut, um darunter – typisch Toronto – ein riesiges Parkhaus für das nahegelegene Messezentrum bauen zu können. Anschließend wurde das Gebäude einfach wieder aufgebaut – das ist also Denkmalschutz in Kanada. 😉
Zurück zur Brauerei: die zog im Jahr 2000 ein, nachdem die drei Gründer aus ihren alten Jobs bei der Upper Canada Brewing Company geflogen waren. Nach einer durchzechten Nacht haben die drei dann beschlossen einfach ihre eigene Brauerei zu gründen – erster Namensvorschlag: Three Fired Guys. Ziemlich schnell umbenannt in Steam Whistle, in Anspielung auf das Fabrikpfeifen zum Ende des Arbeitstags.
Lange Geschichte, kurze Zusammenfassung: die Brauerei macht inzwischen ziemlich leckeres Pilsener nach dem Reinheitsgebot, mit deutschem Hopfen und tschechischem Braumeister. In Kanada relativ selten, die meisten Biere hier sind furchtbar gepantscht.
Wir waren diesmal recht früh dort und konnten sechs Plätze für die zwei Uhr-Tour sichern, dabei waren Rosheen und Patrick aus Irland und „unsere“ Engländer Ryan und Nesta. Es war sehr kurzweilig und definitiv ein guter Deal: für die 15$ Eintrittsgeld wird man während der Tour verköstigt und bekommt im Anschluss noch ein Sixpack für zuhause mit – und das kostet im Laden auch 15$. Das wird also gerne wiederholt mit allen Besuchern, die darauf Lust haben. 😉
Alte Lok vor dem historischen Roundhouse, die typischen und immer gleich aussehenden Condos im HintergrundTrainmaster TobiDie Vorfreude steht manchen mehr und manchen weniger ins Gesicht geschrieben…Das Warten auf den Beginn der Tour wird mit kostenlosen „Proben“ versüßt. Von links nach rechts: Nesta (Birmingham), Tobi, Patrick und Rosheen (Irland) und Ryan (Kent)Dinge, die man in einer Brauerei so sieht. Da ich die Bezeichnungen schon vergessen hab, belassen wir es mal dabei. ;)
In den letzten Tagen ist nicht sonderlich viel passiert. Wir haben etliche Bewerbungen geschrieben, uns auskuriert und endlich wieder selbst gekocht. Heute war ich bei einem klassischen Barbier und hab mir meinen Bart stutzen lassen. Es war sehr angenehm und mit dem Ergebnis bin ich auch zufrieden.
Wäre eigentlich ein perfekter Arbeitgeber…
StraßenbahnAugusta AvenueAugusta AvenueUnsere Nachbarschaft auf der Augusta AvenueMyris KronkorkensammlungUnsere neue Wanddeko aus dem Dollarshop. (Falls wir mal aufwachen sollten und nicht mehr wissen wo wir sind)
Hier noch ein kleiner Nachtrag, da mein Internet gerade so schön funktioniert (hoffentlich hält es diesmal): Am Freitagabend kam wie angekündigt das langersehnte Gewitter und brachte Abkühlung mit sich. Direkt nach dem Unwetter sind wir dann allerdings Richtung Queen Street gelaufen, um Ryan (einen der Engländer, die wir im Hostel kennengelernt haben) zu treffen – und konnten kaum glauben, was da am Himmel los war! Solche Wolken habe ich noch nie gesehen – zeitweise dachten wir, dass sich ein Tornado formen würde. Und tatsächlich haben wir im Nachhinein erfahren, dass es für Toronto eine Tornado-Warnung gab – war aber nix.
Leider hat man in solchen Momenten nie die Kamera dabei. Aber hier ein paar Handyschnappschüsse:
Seit Donnerstag wohnen wir nun nicht mehr im Hostel, sondern in unserem eigenen Zimmer mit privatem Bad. Die Lage unserer neuen Bleibe ist wirklich ideal und nur ca. 5 Minuten Fußweg von unserem Hostel auf der College Street entfernt. Wir wohnen nun in der Peripherie zwischen Kensington Market, einem sehr angesagten Viertel mit vielen alternativen Bars, Restaurants und Geschäften, und Chinatown. Zusätzlich sind wir nur einen Block nördlich der Queen Street wo es auch sehr viele nette Geschäfte, Bars und Restaurants gibt. Wir wohnen quasi mitten im Geschehen und Downtown Toronto – dort wo die Hochhäuser stehen – ist zu Fuß zu erreichen.
Nach zwei Tagen gründlichem putzen mit einem Putzmittel welches laut Verkäuferin auch in Krankenhäusern benutzt wird, fühlen wir uns schon sehr wohl in unserer neuen Unterkunft. Unser Vormieter war wohl eher etwas dreckig aber was Krankenhäuser keimfrei hält wird wohl auch seinen Dreck restlos beseitigt haben. Das Internet könnte schneller und zuverlässiger sein und die Küche, die wir mit ein paar anderen Bewohnern Teilen, etwas sauberer aber im Großen und Ganzen sind wir mit unserer Wahl zufrieden.
Samstags waren wir wieder zum BBQ im Hostel und haben einige unserer Freunde getroffen die zum Teil noch dort wohnen oder wie wir schon eine eigene Unterkunft gefunden haben.
Auf der linken Seite: Emperor Furniture, ein Zimmer im ersten Stock ist unser neues zu Hause.Hier konnten wir uns direkt ein sehr billiges aber echt bequemes Bett kaufen, wir mussten es noch nicht mal hochtragen.Unser HauseingangBlick auf die Augusta Avenue in Richtung Norden (direkt vor unserer Bude)Unser Zimmer. Momentan noch etwas karg aber das wird schon noch.Blick aus unserem Zimmer in den Hinterhof.Kreuzung Spadina & College ganz bei uns in der NäheTaccos aus einem Laden in unserer Nachbarschaft im Kensington Market. Sehr lecker aber für 10$ eindeutig zu wenig.Dank unserer Tomaten und Zwiebelschneidtechnik haben wir vom Besitzer lebenslanges Anrecht auf das BBQ erhalten.Samstags ist immer noch BBQ auf dem Hosteldach.